Zeit, den Hut an den Nagel zu hängen?

Eine neue Studie zeigt: Die Mehrheit der Beschäftigten will deutlich früher aufhören zu arbeiten.

Länger arbeiten? Nein danke! Während Wirtschaftsexperten und Politiker ein höheres Renteneintrittsalter fordern, will die Mehrheit der Beschäftigten schon deutlich früher aufhören zu arbeiten als zum regulären Rentenalter. Ganze 62,9 Prozent möchten spätestens mit 63 Jahren in Rente gehen: Das zeigt eine aktuelle Studie des Demographie Netzwerks (ddn), für die im Oktober 2024 bundesweit 2.500 Erwerbstätige befragt wurden.

Die tatsächlichen Rentenzugänge entwickeln sich bereits in die andere Richtung: Das durchschnittliche Eintrittsalter ist in den vergangenen zwei Jahrzehnten deutlich gestiegen, wie der aktuelle Rentenatlas 2024 der Deutschen Rentenversicherung zeigt. Während 2002 Frauen im Schnitt mit 62,8 Jahren und Männer mit 62,6 Jahren in Rente gingen, lag das Durchschnittsalter 2023 für beide Geschlechter bei 64,4 Jahren. Grund für diesen Anstieg ist unter anderem das Auslaufen früherer Möglichkeiten zur vorgezogenen Altersrente, die teilweise schon ab 60 Jahren möglich waren.

Politik drängt auf längeres Arbeiten

Damit stehen die Wünsche der Beschäftigten auch in scharfem Kontrast zu den politischen Forderungen: Bundesbank-Präsident Joachim Nagel etwa plädiert für eine spätere Rente. „Ein Mann, der 1974 mit 65 Jahren in Rente ging, hatte im Durchschnitt noch fast zwölfeinhalb Jahre vor sich. Wer heute mit 66 Jahren in Rente geht, hat durchschnittlich noch fast 17,5 Jahre vor sich“, sagte er kürzlich in einer Rede in Dortmund. Er fordert, das Rentenalter ab 2031 schrittweise weiter anzuheben und an die Lebenserwartung zu koppeln.

Auch Unionsfraktionsvize Jens Spahn will den Trend zur frühen Rente stoppen. „Die ‚Rente mit 63‘ kostet Wohlstand, belastet künftige Generationen und setzt die falschen Anreize“, sagte der CDU-Politiker der „Bild am Sonntag“. Die Fachkräfte, die früher in Rente gegangen seien, fehlten nun „bitterlich“.

Was bräuchte es fürs Längerarbeiten?

Die Studie zeigt jedoch klar: Ohne bessere Arbeitsbedingungen wird es schwierig mit dem späteren Renteneintritt. Die wichtigsten Faktoren für längeres Arbeiten sind:

Wichtigste VoraussetzungenAnteil der Befragten
Freie Wahl der Arbeitszeit40,7 Prozent
Höheres Gehalt37,7 Prozent
Weniger Belastung/Stress37,5 Prozent
Freie Wahl des Arbeitspensums35,8 Prozent

Ein besonderes Problemfeld ist die Weiterbildung. Mehr als ein Drittel der Beschäftigten (35,9 Prozent) beklagt fehlende Angebote. Besonders dramatisch ist die Situation bei Menschen ohne Berufsabschluss – hier vermissen sogar 78,8 Prozent ausreichende Weiterbildungsmöglichkeiten. Auch bei Arbeitern sieht es nicht gut aus: Jeder Zweite findet die Angebote unzureichend.

Interessant ist auch der Blick auf regionale Unterschiede: In Großstädten fehlt nur 28,4 Prozent ein ausreichendes Weiterbildungsangebot. In ländlichen Regionen mit niedriger Bevölkerungsdichte liegt dieser Wert deutlich höher bei 41,7 Prozent. Zudem zeigt sich ein leichter Nachteil für Frauen beim Zugang zu Weiterbildungen.

Die Gründe für Weiterbildung sind vielfältig. An erster Stelle steht die persönliche Weiterentwicklung:

MotivationAnteil der Befragten
Persönliche Weiterentwicklung52,4 Prozent
Anpassung an neue Herausforderungen39,3 Prozent
Absicherung der beruflichen Zukunft32,9 Prozent
Spaß am Lernen23,7 Prozent
Finanzielle Vorteile17,7 Prozent

Jung denkt anders – oder doch nicht?

Besonders spannend: Bei den jungen Erwerbstätigen zwischen 18 und 29 Jahren können sich immerhin 23,2 Prozent vorstellen, länger als bis 67 zu arbeiten. Das könnte auf ein Umdenken hindeuten – oder aber am höheren Bildungsniveau der jüngeren Generation liegen. Denn schon heute arbeiten Hochqualifizierte eher länger. Allerdings will gleichzeitig auch ein besonders hoher Anteil der Jüngeren sehr früh mit dem Arbeiten aufhören.

Die Studie macht deutlich: Der Wunsch der Politik nach längerem Arbeiten lässt sich nur erfüllen, wenn sich die Arbeitsbedingungen deutlich verbessern. Flexible Arbeitszeiten, weniger Stress und bessere Weiterbildungsangebote sind der Schlüssel – besonders für Menschen mit niedrigeren Qualifikationen. Sonst bleibt der spätere Renteneintritt wohl nur ein Wunschtraum der Wirtschaftsexperten.