Knapp die Hälfte der Generation 50+ wünscht sich mehr Sex – und lebt ihre Lust deutlich freier aus als frühere Generationen im gleichen Alter. Das zeigt eine aktuelle Studie des Rheingold-Instituts, für die über 1.000 Menschen zwischen 50 und 70 Jahren befragt wurden. Nur 22 Prozent geben an, gar kein Liebesleben mehr zu haben.
„Diese Generation nimmt sich die Freiheit, tradierte Beziehungsbilder zu nutzen oder das Puzzle des Lebens noch einmal neu zusammenzusetzen“, erklärt Studienleiter Heiko Thomas. Besonders die Frauen erleben in ihrer zweiten Lebenshälfte einen neuen Level der Emanzipation.
Jeder Zweite wünscht sich mehr Intimität
Die Sexualität ist dabei alles andere als eingeschlafen: Fast die Hälfte wünscht sich mehrmals im Monat oder häufiger Intimität. Realität ist das allerdings nur für 30 Prozent. Mit steigendem Alter sinkt die sexuelle Aktivität nur leicht: Von 15 Prozent ohne Sex bei den 50-54-Jährigen auf 25 Prozent bei den 65-70-Jährigen.
Die Generation 50+ lebt ihre Beziehungen heute völlig anders als frühere Generationen. Neben klassischen Partnerschaften mit gemeinsamer Wohnung und festen Ritualen haben sich neue Beziehungsmodelle etabliert: Viele Paare leben bewusst getrennt („Living Apart Together“), führen Fernbeziehungen oder gestalten ihr Zusammenleben als Patchwork-Familie.
Männer suchen die große Liebe
Dabei zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern: Die Männer erweisen sich überraschenderweise als die größeren Romantiker. 81 Prozent der Single-Männer suchen die große Liebe – bei den Frauen sind es nur 73 Prozent. Auch beim Thema Sex unterscheiden sich die Wünsche: 70 Prozent der Männer auf Partnersuche legen großen Wert auf ein erfülltes Liebesleben, bei den Frauen sind es nur 31 Prozent.
„Wir wissen aus früheren Studien, dass sich gerade diese Generation der Frauen in ihren jüngeren Jahren in einem Multiperfektionszwang zwischen Partnerschaft, Familie und Beruf zerrieben hat“, analysiert Stephan Grünewald, Gründer des Rheingold-Instituts. „Mit zunehmender Reife pochen sie nun auf ihre Unabhängigkeit.“ Das bestätigt auch ein markantes Zitat aus den Interviews: „Männer nur noch ambulant, nicht mehr stationär!“
Dass die Generation sich jung fühlt, zeigt sich auch in ihren Aktivitäten: 38 Prozent spielen regelmäßig Videospiele, andere gehen mit ihren Kindern auf Partys oder machen Fallschirmsprünge. Das gefühlte Alter liegt bei Frauen im Schnitt acht Jahre unter dem biologischen, bei Männern sind es sechs Jahre.
Sechs Typen der Liebe
Die Studie zeigt auch: Es gibt nicht mehr das eine Beziehungsmodell für die Generation 50+. Stattdessen wurden sechs verschiedene Liebestypen identifiziert:
Die „Bewahrer“ leben am ehesten das klassische Bild: Sie schätzen ihre langjährigen Beziehungen, pflegen feste Rituale und eine traditionelle Rollenverteilung. „Ich habe nicht mehr die große Leidenschaft, aber ich bringe ihr mal Blumen mit als kleine Aufmerksamkeit“, beschreibt ein 70-Jähriger seine Ehe.
Ganz anders die „Situationshipper“: Sie genießen bewusst die Unverbindlichkeit. Statt einer festen Partnerschaft pflegen sie lockere Beziehungen und gehen ihren Interessen mit wechselnden Bekanntschaften nach. „Ich bin immer weniger bereit, Kompromisse einzugehen“, erklärt eine 59-jährige Teilnehmerin.
Zwischen diesen Polen finden sich die „Minimierer“, die ihr Leben auf das Wesentliche reduzieren, die „Halt-Suchenden“, die nach Schicksalsschlägen vor allem Stabilität suchen, und die „ewig Jungen“, die mit Dating-Apps und Partys ihre Jugendlichkeit ausleben.
Besonders bei Frauen häufig: Die „Neustarter„. Sie haben aus vergangenen Beziehungen gelernt und gestalten ihr Leben nun radikal selbstbestimmt. „Ich hätte gar keine Lust mehr, mein Leben mit jemandem zu teilen, ich bin froh, dass ich auch zu Hause machen kann, was ich will“, so eine 59-jährige Teilnehmerin.
„Die steigende Selbstbezüglichkeit dieser Generation ist auch ein Zeichen des Zeitgeistes“, resümiert Grünewald. „Sie hat sich ein selbstbestimmtes Leben erkämpft und will es jetzt auch genießen.“ Oder wie es eine 68-jährige Teilnehmerin formuliert: „Alter ist nur eine Zahl. Ich bin nur theoretisch alt.“