Das neue Rentenpaket der Ampel sorgt für heftige Debatten: Am Montag meldete sich ausgerechnet der frühere Chef der Deutschen Rentenversicherung, Franz Ruland, mit einer bemerkenswert deutlichen Kritik in der FAZ zu Wort. Er nennt es „eine der teuersten Reformen, nur um eine ohnehin schon ordentliche Absicherung weiter aufzubessern.“ Auch Stefan Wolf, Chef des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, stimmt in die Kritik ein. Das Paket sei eine „Blamage“ und könne Deutschland „teuer zu stehen kommen“, sagte er im Interview mit T-Online.
Doch was plant die Regierung? Minister Hubertus Heil (SPD) möchte das Rentenniveau dauerhaft bei 48 Prozent festschreiben. Das klingt zunächst gut: Eine durchschnittliche Rente soll nicht unter 48 Prozent eines durchschnittlichen Gehalts fallen. Doch die Experten sehen erhebliche Probleme.
Halbe Billion Mehrkosten
Ruland hat nachgerechnet: Schon 2030 kostet die Reform zusätzliche neun Milliarden Euro. 2035 werden es über 28 Milliarden, 2040 fast 40 Milliarden – und die Kosten steigen weiter. Bis 2045 summieren sich die Kosten auf 507 Milliarden Euro.
Interessant dabei: Die höheren Renten kommen vor allem Gutverdienern zugute – „somit meist männlichen Versicherten“, wie Ruland in der FAZ anmerkt. Die jüngere Generation muss dagegen mehr zahlen.
Diese Sorge treibt auch Gesamtmetall-Präsident Wolf um. Er befürchtet im Interview mit T-Online, dass gut ausgebildete junge Menschen wegen der hohen Abgaben ins Ausland abwandern könnten. „Wenn sie in Deutschland zu stark belastet werden, werden viele überlegen, warum sie eigentlich noch in Deutschland bleiben sollen“, warnt der Verbandschef.
Sein Forderung fällt dementsprechend hart aus: „Stoppen Sie das Rentenpaket II, bevor es zu spät ist“, sagte er T-Online.
Was sagt die Wissenschaft?
Die Forschung bestätigt die Bedenken. Der Ökonom Martin Werding von der Uni Bochum hat es genau ausgerechnet: Wer heute 46 oder jünger ist, werde durch die Reform finanziell schlechter gestellt, heißt es in seinem Gutachten, dass er für den Sozialausschuss im Bundestag erstellt hat.
Der Rentenexperte Axel Börsch-Supan sieht noch ein weiteres Problem: Das Paket verstärke die Strukturkrise Deutschlands und begünstige in Zeiten knapper Kassen die Besserverdiener. Zu diesem Schluss kommt er ebenfalls in einem Gutachten für den Bundestag.
Arbeitsminister Heil verteidigt sein Vorhaben: Ohne die Reform würden Rentner im Vergleich zu Arbeitnehmern „ärmer werden“, sagte der Minister der Deutschen Presse-Agentur.
Wer gewinnt, wer verliert?
- Heutige Rentner können sich freuen: Ihr Rentenniveau bleibt stabil, die Renten steigen wie die Löhne.
- Beschäftigte ab 46 müssen mit höheren Kosten rechnen: Die Rentenbeiträge steigen von heute 18,6 auf über 22 Prozent bis 2045.
- Junge Menschen tragen die größte Last: Sie zahlen jahrzehntelang höhere Beiträge, die die späteren besseren Renten nicht aufwiegen.
Diese Mehrkosten kommen auf Arbeitnehmer zu
Die Berechnung basiert auf dem erwarteten Anstieg des Rentenbeitrags von heute 18,6% auf 22,2%. Der Arbeitnehmeranteil steigt dabei von 9,3% auf 11,1%:
Monatliches Brutto | Mehrbeitrag 2035 |
---|---|
2.000 € | + 35 € |
3.000 € | + 52 € |
4.000 € | + 70 € |
5.000 € | + 87 € |
6.000 € | + 105 € |
Und was bedeutet das Reformpaket für Rentner? Nach Berechnungen von Werding ergeben sich für Versicherte, die heute 46 Jahre alt sind, folgende Aufschläge:
- Bei 40 Beitragsjahren und 3.000 € Durchschnittsgehalt: etwa 50 € mehr Rente monatlich
- Bei 40 Beitragsjahren und 4.000 € Durchschnittsgehalt: etwa 65 € mehr Rente monatlich
Die Ampel möchte das viel diskutierte Paket noch dieses Jahr beschließen. Die FDP wünscht sich allerdings noch Änderungen – auch sie denkt an die junge Generation. Nach den gewichtigen Einwänden der Experten könnte die Debatte über Nachbesserungen nun noch einmal Fahrt aufnehmen.