Eine Pille gegen Bluthochdruck, zwei für die Knochen, eine weitere fürs Herz – in den Haushalten älterer Menschen stapeln sich oft die Medikamentenschachteln. Die Zahlen der Krankenkassen sprechen eine deutliche Sprache: Fast jeder dritte Mensch über 65 nimmt täglich fünf oder mehr verschiedene Medikamente ein. Ab 80 Jahren ist es sogar fast jeder zweite.
Doppelt so viele Risiko-Medikamente wie früher
Doch jetzt schlagen Experten Alarm: Eine neue Untersuchung des Bundesforschungsministeriums zeigt, dass viele dieser Medikamente für Senioren regelrecht gefährlich werden können. 221 häufig verschriebene Wirkstoffe stufen die Wissenschaftler als „potenziell inadäquat“ für ältere Menschen ein – mehr als doppelt so viele wie bei der letzten Analyse.
Woran liegt das? Mit zunehmendem Alter verändert sich unser Körper grundlegend: Die Nierenfunktion nimmt ab dem 40. Lebensjahr kontinuierlich ab – pro Jahr um etwa ein Prozent. Auch die Nervenzellen reagieren empfindlicher. Medikamente werden dadurch langsamer abgebaut und können wesentlich stärkere Nebenwirkungen verursachen.
Besonders gefährlich: Schlafmittel und Schmerztabletten
Dabei sind einige Medikamentengruppen besonders riskant. An erster Stelle stehen klassische Schlaf- und Beruhigungsmittel. Wirkstoffe wie Diazepam oder Zolpidem erhöhen das Sturzrisiko drastisch. Auch viele Schmerzmittel bergen Tücken: Nimmt man Diclofenac oder hochdosiertes Ibuprofen über längere Zeit ein, drohen gefährliche Magenblutungen – besonders wenn gleichzeitig Blutverdünner geschluckt werden.
Warnsignale erkennen
Sofort den Arzt aufsuchen sollten Sie bei plötzlich auftretendem Schwindel oder Benommenheit, wenn Sie neu auftretende Verwirrtheit bemerken oder ungewohnte Stimmungsschwankungen haben. Auch extreme Müdigkeit, Magen-Darm-Probleme oder Schwierigkeiten beim Wasserlassen können auf problematische Nebenwirkungen hinweisen.
Besonders aufmerksam sollten Sie sein, wenn diese Beschwerden kurz nach einer Medikamentenumstellung auftreten. Wichtig ist aber: Setzen Sie Medikamente nie eigenmächtig ab! Sprechen Sie immer zuerst mit Ihrem Arzt.
Diese Alternativen sind besser verträglich
Klingt beunruhigend? Keine Panik! Die gute Nachricht ist: Für fast alle problematischen Medikamente existieren heute besser verträgliche Alternativen. Das Bundesforschungsministerium hat zusammengestellt, welche Wirkstoffe Senioren besser meiden und wodurch sie sie ersetzen können:
Riskante Medikamente | Alternative Wirkstoffe |
---|---|
Diazepam, Zolpidem (Schlaf) | Baldrian, Melatonin |
Diclofenac, Ibuprofen (Schmerz) | Paracetamol, Metamizol |
Amitriptylin, Doxepin (Depression) | Sertralin, Citalopram |
Doxazosin, Clonidin (Blutdruck) | ACE-Hemmer, AT1-Blocker |
So schützen Sie sich vor Nebenwirkungen
Was bedeutet das jetzt für Patienten? „Ein Medikament auf der Liste bedeutet nicht, dass Sie es sofort absetzen müssen“, beruhigt Pharmakologin Petra Thürmann vom Helios Universitätsklinikum Wuppertal, die die Studie wissenschaftlich betreut hat. Stattdessen raten die Experten zu folgenden Schritten:
- Erstellen Sie eine vollständige Liste aller Medikamente – auch der rezeptfreien
- Lassen Sie diese Liste mindestens einmal im Jahr vom Arzt überprüfen
- Informieren Sie auch Ihren Apotheker über alle eingenommenen Medikamente
- Verzichten Sie möglichst auf rezeptfreie Schmerzmittel zur Dauereinnahme
- Achten Sie besonders auf neue Beschwerden nach Medikamentenumstellungen
Besonders wachsam sollten Patienten sein, die mehr als fünf verschiedene Medikamente einnehmen. Und deren Zahl steigt: Zwischen 2012 und 2021 nahm die Menge der an Menschen ab 65 Jahren verordneten Tagesdosen um mehr als 20 Prozent zu – deutlich stärker als bei jüngeren Menschen.
Hier gibt es Hilfe
Wer jetzt unsicher ist, ob die eigenen Medikamente möglicherweise problematisch sind, kann sich Hilfe holen: Das Bundesforschungsministerium hat alle Ergebnisse in einer kostenlosen Broschüre zusammengefasst. Sie listet die kritischen Wirkstoffe auf und nennt verträglichere Alternativen. Die Broschüre „Medikamente im Alter“ können Ärzte und Patienten kostenlos bestellen.
Viele Apotheken bieten zudem einen kostenlosen Medikamenten-Check an. Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) informiert online über teilnehmende Apotheken in Ihrer Nähe.